Montag, 6. Juli 2015

Wetter 07.07.2015: Erst Hitzegewitter, dann Schwergewitterlage an Kaltfront


Gültig von: 07.07.2015, 08:00 MESZ bis 08.07.2015, 08:00 MESZ
Erstellt am: 06.07.2015, 22:05 MESZ

Einschätzung

Kategorie Moderate - für Teile Baden-Württembergs, Bayerns und Sachsens

Kategorie Moderate - für Teile Nordrhein-Westfalens, Hessens, Niedersachsens und Rheinland-Pfalz'

Kategorie Slight - für alle Teile Deutschlands außer Bremens, Hamburgs, Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommern

Thunderstorms - für ganz Deutschland

Zusammenfassung

Es besteht Potential für sehr starken Niederschlag, Hagel deutlich über 5 cm, Böen bis Orkanstärke sowie Tornados.

Synoptik

Der Dienstag wird weiterhin noch von einem Rücken dominiert, der quer über dem Festlandeuropa nördlich bis an die Ostsee und östlich bis ans Schwarzmeer reicht. Über Nordeuropa dagegen können, seit dem am Sonntag die Omegalage gekippt wurde, Tröge wieder auf Ostbahnen ziehen und damit an ihrer Vorderseite Einfluss auf das mitteleuropäische Wettergeschehen nehmen. Dies trifft vor allem auf einen herannahenden Trog zu, der morgen Mittag über den britischen Inseln situiert ist und ein Jetstream-Maximum über Mitteleuropa schiebt.

Am Boden ist Mitteleuropa noch zunächst von Hochdruck beeinflusst, dass aber zunehmend in den Osten propagiert und von einem für diese Jahreszeit starken Tief unterhalb des Troges verfolgt wird. Dabei gelangt Deutschland in den Bereich sehr starker Warmluftadvektion, die wie schon am Sonntag Theta-E-Werte deutlich über 60 °C aufweist. Mit Voranschreiten des Tiefs wird die feucht-warme Luftmasse schließlich durch maritime Kaltluft verdrängt.

Diskussion

Mithilfe der Warmluftadvektion gelangt energiereiche Luftmasse nach Deutschland, die Werte um die 2.000 J/kg CAPE im Süden, ca. 1.000 J/kg im Norden erreicht. Dazu können zwischen 30 °C Maximaltemperatur im Nordwesten und 37 °C im Süden erreicht werden. Helizitätswerte liegen eher im moderaten Bereich bei meist rund 150 m²/s². Auf der anderen Seite jedoch weisen die 0-6 km Schwerwinde mit Annäherung des Jetstreammaximums 20 bis 25 m/s im Südwesten, nördlich sogar 30 m/s auf. Damit wird deutlich, dass die besten kinematischen nicht mit den besten thermodynamischen Parametern überlappen. Es herrscht große Unsicherheit in der Modellkette, weswegen aktuell nur ein grober Rahmen diskutiert werden kann und die höchste Kategorie vorerst nur Moderate beträgt. Sollten die Modelle zu morgen mehr Sicherheit erlangen, ist evtl. ein Update auf Kategorie High möglich.

Zunächst sind an den Mittelgebirgen orographisch getriggerte Hitzegewitter möglich, während fortlaufend der Kaltfront bereits aus Westen erste Multizellen oder gar Superzellen in Deutschland hereinziehen. Die besten Bedingungen für Superzellen herrschen dabei noch auf Höhe Rheinland-Pfalz sowie Nordrhein-Westfalen. Denkbar sind auch Superzellen, die klassisch entlang des Schwarzwaldes ziehen aufgrund der besonderen Lage und Beschaffenheit des Gebirges sowie der entsprechend vorliegenden Südwestwinde. Mit diesen Zellen ist Hagel zwischen 3 bis 5 cm, mit Superzellen auch deutlich größer möglich, dazu können stürmische Böen bis 70 km/h und Starkniederschläge bei einem Wassergehalt von rund 50 mm auftreten. Hier ist auch das Potential für Tornados erhöht. 

Zum Abend schließlich gelangt die Kaltfront nach Deutschland, an der in breiter Linie intensive Entwicklungen möglich sind. Hier herrscht bei den Modellen die größte Unsicherheit in der exakten Lage, favourisiert wird an dieser Stelle jedoch die, bei der sich eine Linie von der Mitte bis in den Süden Deutschlands bildet, ab der die komplette Palette einer Schwergewitterlage abgerufen werden kann. So sind vor allem Böen bis Orkanstärke an Stellen möglich, wo sich eine geschlossene Linie bildet und evtl. Bow Echos entstehen. Dazu können hier, trotz der ehe moderaten kinematischen Bedingungen, rotierende Systeme eingelagert sein, mit denen wie schon am Nachmittag auch Hagelkörner deutlich über 5 cm möglich sind, sonst bleibt es bei meist 3 bis 5 cm. Auch Starkniederschläge bei immer noch einem Wassergehalt von über 40 mm sind möglich, aber wegen der hohen Zuggeschwindigkeit von 80 bis 90 km/h zeitlich sehr begrenzt. Es können dennoch Überschwemmungen möglich sein. Auch Tornados sind hier nicht ausgeschlossen. Die gesamte Linie zieht bis zur Nacht schließlich einmal quer über die Südhälfte Deutschlands und unter Abschwächung schließlich auf die Landflächen Tschechiens und Österreichs.

Verifikation

     Gesamtniederschlag in 24 Stunden bis 07:50 Uhr.          Gesamtzahl an Blitzen in 24 Stunden bis 07:50 Uhr.

Über der Mitte Deutschlands entstand zunächst eine linienartige Front mit einer Mesozyklone an dessen Südende, die vor allem ab Hessen sehr starke Böen bis Orkanstärke vor sich herschob und dabei von Hagel zwischen 2 und 4 cm begleitet war. Hier entstanden teilweise sehr schwere Schäden an Gebäuden, Aufbauten und Wald & Flur. In diesem Bereich scheinen auch ein oder zwei Tornados denkbar, die jedoch bisher nicht bestätigt werden konnten.

Daneben entwickelten sich zunächst auf einer Linie quer über dem Süden Rheinland-Pfalz' wie an einer Perlenschnur mehrere Superzellen hintereinander, die mit hoher Langlebigkeit aufwarteten, hier insbesondere die Leftmover mit Strecken bis 300 km. Bis auf eine Superzelle, die fast bis Halle an der Saale hochzog, sind kaum unwetterartige Erscheinungen bekannt, die von diesen Zellen verursacht worden sein sollen. Hagel blieb auch hier in der Größenordnung von 2 bis 4 cm.

Später entwickelte sich vor allem auch mithilfe von Orographie im noch unverbrauchten Warmsektor des Südwestens entlang der Kaltfront mehrere intensive Gewitter, an der sich vorlaufend eine weitere Superzelle entwickelte, die als isolierter Rightmover ebenfalls deutlich über 200 km hinter sich legte. Sie sollte eines der fotogensten und bestdokumentiertesten Superzellen seit vielen Jahren in Deutschland werden. Mit der Kaltfront traten dann vor allem zur Nacht hin nochmal über Bayern schwere Böen bis Orkanstärke auf, auch ein Tornado scheint hier denkbar, wenn auch bisher nicht bestätigt.

Zugbahnen sämtlicher dokumentierter Superzellen am 07.07.2015.

Tatsächlich hätte das gesamte Kategorie Slight-Gebiet Kategorie Moderate betragen müssen, über dem Osten Rheinland-Pfalz', Hessens, Thüringens und Sachsen-Anhalts wäre unter den aufgetretenen Unwettererscheinungen auch eine Kategorie High gerechtfertigt gewesen. Zwar erlaubten, wie erwähnt, die Modelle keine spezifische Prognose, jedoch hätte zumindest die in den späteren Läufen simulierte linienartige Multizellenstruktur über der Mitte ernst genommen werden sollen, da sie der Gewitterlinie vom Sonntag recht ähnlich kam, bei der ebenfalls schon Böen über 100 km/h gemessen wurden.


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